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Wohnimmobilienkredite - Neue Richtlinie sorgt für Verunsicherung

Die Zinsen sind historisch niedrig. Ideale Bedingungen für Immobilienkäufer. Wenn da nicht das am 21.03.2016 in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften wäre. Durch bessere Beratung und strengere Prüfung der Kreditwürdigkeit sollen private Kreditnehmer stärker als bislang vor einer Überforderung geschützt werden, so das erklärte Ziel der Initiatoren. Tatsächlich birgt das Regelwerk jedoch einige Neuigkeiten, die einzelnen Verbrauchergruppen den Weg zum Kredit erheblich erschweren können.

Banken haften – und müssen Regressansprüche befürchten
Die Banken müssen darauf achten, dass sich die Kunden den Wohnungskredit auch leisten können. Das haben sie in der Vergangenheit auch getan, schon allein aus Eigeninteresse. Jetzt müssen sie jedoch nachweisen können, dass sie gründlich geprüft haben, dass der Kunde nach aller Voraussicht die Finanzierung zu seinen Lebzeiten regulär abstatten und auch eine starke Anhebung der Zinsen verkraften kann. Dabei wird nicht nur die Zinsbindungszeit, sondern die gesamte Darlehenslaufzeit betrachtet. Kann eine Bank eine solch gründliche Prüfung nicht nachweisen und kann ein Kunde dann den Kredit nicht ordnungsgemäß bedienen, so haftet die Bank. „Die Banken schauen jetzt nicht mehr so sehr auf vorhandene Werte, sondern auf die Tragfähigkeit des Einkommens“, erläutert Prof. Steffen Sebastian, Professor für Immobilienfinanzierung an der Universität Regensburg. „Das ist betriebswirtschaftlich richtig so: Kein Finanzunternehmen geht sehenden Auges in die Verwertung der Sicherheiten. Zum anderen sind die Immobilienpreise so stark gestiegen, dass es sinnvoll ist, die Bedeutung des Wertes weniger stark zu gewichten.“ Für alle Privatkunden mit geringem Einkommen, für junge Familien mit geringem oder auch nur einem Einkommen sowie für Rentner wird damit die Vergabe-Messlatte höher gehängt.

Sonderfall Elternzeit
Eine relativ häufige Einzelkonstellation ist, dass eine junge Familie einen Kredit beantragt zu einem Zeitpunkt, wo einer der Partner in Elternzeit ist. „Nach jetzigem Stand der Dinge wird das Einkommen, nach dem Ende der Elternzeit in der Einkommensberechnung nicht berücksichtigt“, erklärt Prof. Sebastian. „Man tut also so, als ob es die Rückkehroption nicht gibt. Das ist sicherlich ein gravierender Fehler, der auch politisch nicht haltbar ist und sicherlich bald korrigiert wird.“

Renteneintrittsalter und durchschnittliche Lebenserwartung im Blick
Ältere Menschen hatten es bislang schon schwer, einen Kredit zu bekommen. Für alle, deren Darlehenslaufzeit über den Renteneintritt hinausreicht oder die das Rentenalter bereits erreicht haben, kann die neue Richtlinie zum zusätzlichen Hindernis werden. Das gilt etwa für diejenigen, die ihr Haus abbezahlt haben und nun einen Kredit für eine Sanierung oder einen barrierefreien Umbau benötigen. „Dann müssen auch die Einnahmen aus der gesetzlichen Rente und aus privaten Renten oft abzüglich Steuer und Krankenversicherung vorgezeigt werden. Alle Einnahmen müssen belegt werden und auch Ausgaben werden teilweise nicht als Pauschale angesetzt sondern die Lebenshaltungskosten in einer Einzelwertbetrachtung berücksichtigt.“ beschreibt Elgin Gorissen-van Hoek, Vorsitzende des Bundesverbandes Finanz-Planer e.V. In manch einem Fall kann die Finanzierung auch gesichert werden, indem weitere Vermögenswerte wie Barvermögen, Rückkaufwerte aus Lebensversicherungen oder Guthaben von Bausparverträgen zur Sondertilgung angerechnet oder weitere lastenfreie Immobilien eingebracht werden. „Oftmals besteht eine Lösung darin, die Erben mit zu verpflichten“, schlägt die Finanzplanerin vor. Weniger problematisch ist die Situation derjenigen aus, die vor Jahren ein Einfamilienhaus am Rande der Stadt gebaut oder erworben haben. Das ist jetzt abbezahlt, die Kinder sind aus dem Haus, die Eltern wollen sich verkleinern. Häufig verkaufen sie dann die Immobilie und erwerben eine barrierefreie Wohnung. „Für sie ändert sich durch die Richtlinie nichts, sofern sie durch den Verkauf sehr viel Eigenkapital und zusätzlich eine ausreichend hohe Rente als Einkommen haben. Sie werden nach wie vor problemlos einen Kredit erhalten“, sagt Prof. Sebastian.

Abwicklung der Kreditvergabe nach der neuen Richtlinie
Mit der Richtlinie ist das Vergabeverfahren insgesamt komplexer geworden. Die Banken hatten jedoch viele Monate Zeit, sich darauf vorzubereiten, ihre internen Abläufe und ihre Software entsprechend anzupassen. „Meiner Beobachtung nach läuft die Abwicklung reibungsfrei und ohne wesentlich längere Bearbeitungszeiten“, berichtet Prof. Sebastian. Die Bundesbank konstatierte anlässlich der Veröffentlichung des Bank Lending Survey für das zweite Quartal des Jahres 2016 Mitte Juli: „Während die Kreditvergabestandards im Firmenkunden- und im Konsumentenkreditgeschäft nahezu unverändert blieben, zeigten sich einige der befragten Institute bei der Vergabe von Wohnungsbaukrediten an private Haushalte erneut restriktiver und strafften ihre Richtlinien per saldo deutlich.“ Bundesweite Zahlen zu Wohnimmobilienkreditanträgen, Ablehnungsquoten und Vergabevolumen für das zweite Quartal 2016 lagen zum Redaktionsschluss noch nicht vor. Einzelne Hinweise gibt es allerdings. So hat beispielsweise der Sparkassenverband Baden-Württemberg einen Rückgang des Finanzierungvolumens um 20 Prozent gemeldet. „Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass dies eine vorübergehende Erscheinung ist“, urteilt Prof. Sebastian. Einige Institute seien im Umgang mit der neuen Richtlinie vermutlich anfangs verunsichert gewesen. Klar ist allerdings: Wenn das Finanzierungsvolumen flächendeckend und über einen längeren Zeitraum in diesem Umfang zurückgeht, dann wird der Immobilienmarkt damit empfindlich belastet.