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Kinderlärm als Mietmangel?

Innerhalb von Mehrparteienhäusern kommt es regelmäßig zu Disputen aufgrund Kinderlärms zwischen den Bewohnern, vor allem dann, wenn es sich um ein „hellhöriges Haus“ älterer Bauart handelt.
In einer Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 08. Januar 2019 – Az.: 63 S 303/17 - stellte das Gericht fest, dass von Kindern ausgehender Lärm in einer Altbauwohnung nur dann als ein Mietmangel anzusehen ist, wenn das sozialadäquate Maß überschritten wird. Gelegentliche intensive Geräuschbeeinträchtigungen (Rennen und Springen, so dass die Gläser in den Schränken klirren) reichen dafür nicht.

Grundsätzlich kann Lärm unter bestimmten Umständen ein Mangel der Mietwohnung sein, der zur Minderung der Miete, also der Durchführung einer Mietkürzung berechtigt (536 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch). Zum vertragsmäßigen Gebrauch der Mietwohnung gehört es nämlich, in ihr ohne Beeinträchtigung durch störende Geräusche leben zu können.

Die Grenze zu finden, zwischen Geräuschen, die erlaubt und noch zumutbar sind und solchen, die unzumutbar sind, und die zu einer Mietminderung berechtigen können, ist oftmals schwierig, denn bei der Frage, ob eine Mietminderung berechtigt ist oder nicht, müssen zusätzlich zur Lautstärke eine Reihe von Umständen berücksichtigt werden, wie z.B. Zeit, Ort und Art der Lärmquelle.

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Lärmbelästigung durch Nachbarn als erheblich angesehen werden kann, hängt von vielen Umständen ab. Letztendlich kann dies nur in jedem Einzelfall gesondert festgestellt werden.

„Störende Geräusche, die von Kindern ausgehen, sind als Ausdruck selbstverständlicher kindlicher Entfaltung und zur Erhaltung kindgerechter Entwicklungsmöglichkeiten grundsätzlich sozialadäquat und damit zumutbar.“ So heißt es beispielsweise in § 6 des Immissionsschutzgesetzes des Landes Berlin. Dieses Gesetz regelt zwar nicht die Frage, wann eine Mietminderung wegen Kinderlärms in Betracht kommt, ist aber Ausdruck der allgemeinen Ansicht, dass Kinderlärm in erheblichem Um-fang hinzunehmen ist.

Praxistipp

Dieser Grundgedanke der Hinnehmbarkeit bedeutet jedoch nicht, dass eine Mietminderung we-gen Lärms, der von Kindern verursacht wird, in jedem Fall ausgeschlossen ist.

Grundsätzlich. ist der von Kindern und Jugendlichen verursachte Lärm als Begleiterscheinung kindli-chen und jugendlichen Freizeitverhaltens in höherem Maße zumutbar als derjenige von Erwachse-nen (vgl. BGH, Urteil vom 05.02.1993 – V ZR 62/91).

Daher ist üblicher Kinderlärm im Mehrparteienmiethaus hinzunehmen. Allerdings soll sich die Üb-lichkeit nach einem Urteil des AG Kassel vom 23. 04. 1991 – 872 C 855/91 –nicht nach den Ruhe- und Ordnungsvorstellungen Dritter, sondern nach den Wohn- und Lebensbedingungen sowie den Be-dürfnissen der Kinder und ihrer pflegenden und erziehenden Eltern richten.

Kein üblicher Lärm liegt mehr vor, wenn Kinder über das bloße Spielen hinaus Handlungen vor-nehmen, die die Nachbarn belästigen, ohne dass dafür aufgrund des Spiels der Kinder eine zwin-gende Notwendigkeit bestünde. In solchen Fällen ist es den Eltern möglich und zumutbar, das Ver-halten der Kinder zu unterbinden, ohne dass diese in ihrem Spieltrieb oder Bewegungstrieb behin-dert werden.
Keine zur Mietminderung führende erhebliche Beeinträchtigung stellt aber nächtliches Baby- bzw. Kleinkindergeschrei dar. Dieses ist als unvermeidbare Folge normaler kindlicher Entwicklung hinzu-nehmen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.01.1997 – 9 U 218/96). Auch eine Beeinträchtigung der Ruhezeiten muss in diesen Fällen hingenommen werden. So entschied das LG Köln mit Urteil vom 24. 09. 1996 -12 S 6/96-, dass Störungen der mittäglichen Ruhezeiten von 13 bis 15 Uhr und der nächtlichen Ruhezeiten von 22 bis 06 Uhr durch Babygeschrei und Weinen von den Nachbarn, selbst wenn sie bei diesen zu längeren Schlafstörungen führen sollten, als sozialadäquat hinzu-nehmen seien, weil sich ein schreiendes Baby nicht wie ein Radio einfach „abstellen“ lasse.

Auch Kleinkindgeschrei, das kurzfristig mit dem Verlassen der Mietwohnung im Treppenhaus ein-hergeht, ist auch am frühen Morgen sozialadäquat und gibt dem Mitmieter kein Recht zur Miet-minderung (vgl. LG München I, Urteil vom 24. 02. 2005 – 31 S 20796/04).

Nicht nur Babygeräusche, sondern auch Lauf- und Spielgeräusche und jedenfalls gelegentliches Kindergetrampel müssen grundsätzlich als sozialadäquat hingenommen werden (vgl. AG Frankfurt a. M., Urteil vom 09.09.2005 – 33 C 3943/04 – 13).

Die Grenze des Zumutbaren ist allerdings erreicht, wenn die Kinder z. B von Stühlen springen oder Mobiliar umwerfen oder in der Wohnung Weitsprung üben(vgl. AG Kiel, Urteil vom 21. 06. 1984 – 8 C 383/83).

Mit der Begründung, dass auch Kinder in den Grenzen des ihnen Möglichen auf die Ruhebedürfnis-se anderer Mitbewohner Rücksicht nehmen müssen, entschied auch das AG Neuss mit Urteil vom 01. 07. 1988 – 36 C 232/88 -, dass Geräuscherscheinungen wie Rennen, Trampeln und Springen ins-besondere nach 20.00 Uhr bis in die späten Abendstunden nicht mehr hinzunehmen sind.
Henry Naporra RechtstippHenry Naporra
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bei Haus & Grund Frankfurt