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Klimapolitik

Schattenseiten der CO2-Bepreisung

Mit dem bisherigen Instrumentenkasten aus Energiesteuern, Ordnungsrecht und Förderung kommt Deutschland bei den Klimaschutzzielen nicht so recht voran. Die Diskussion um die Bepreisung von CO2-Emissionen hat daher an Fahrt aufgenommen.

Die Bundesregierung hat sich dazu Rat von mehreren Gutachtern eingeholt.

Umweltministerium wirbt für CO2-Steuer und Klimaprämie
In drei Gutachten hat das Bundesumweltministerium untersuchen lassen, welcher CO2-Preis das Klima schützt, wie klimafreundliches Verhalten belohnt und gleichzeitig Haushalte mit geringem Einkommen entlastet werden können. Die Gutachter schlagen vor, bereits für 2020 einen CO2-Preis von zunächst 35 Euro pro Tonne CO2 auf Heiz- und Kraftstoffe einzuführen und diesen bis 2030 auf 180 Euro zu erhöhen. Für private Haushalte würden sich dadurch die Heizkosten bei Erdgas um 13 bis 65 Prozent und bei Heizöl um 19 bis 100 Prozent erhöhen. Haushalte sollen insgesamt nicht mehr belastet werden. Deshalb sollen die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung als jährliche Pro-Kopf-Klimaprämie in Höhe von 95 Euro an die Haushalte zurückgezahlt werden. Ab 2021 sollen zusätzlich Stromsteuer und EEG-Umlage sinken.

Die Gutachten zeigen auch die Unsicherheiten einer CO2-Bepreisung auf. Da die Rückzahlungen sich an Durchschnittswerten orientieren, kann es in Einzelfällen – wie etwa bei Pendlern oder Haushalten mit Ölheizung – zu Mehrbelastungen kommen. Von der Senkung des Strompreises werden Gewerbebetriebe durch ihren hohen Stromverbrauch deutlich mehr als private Haushalte profitieren. Ob der Strompreis nach Kürzung von Stromsteuer und EEG-Umlage tatsächlich sinkt, ist allerdings ungewiss.

Das Fazit der Gutachter: Die Klimaziele für 2030 können mit der vorgeschlagenen CO2-Bepreisung allein nicht erreicht werden. Es bleiben weiterhin zusätzliche ordnungspolitische Maßnahmen erforderlich.

Bundeswirtschaftsministerium will Emissionshandel ausweiten
Das vom Wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums vorgelegte Gutachten spricht sich dafür aus, anfangs getrennte Emissionshandelsmärkte für die Sektoren Gebäude und Verkehr mit Preiskorridor einzuführen. Der Zertifikatshandel gibt dabei die zu reduzierenden CO2-Mengen vor, der Preiskorridor schafft Transparenz über die zukünftigen CO2-Preise. Die bestehende Struktur der Energieabgaben soll obendrein grundlegend reformiert werden. Der Strompreis wird dadurch sinken und die Preise für Erdgas sowie Heizöl steigen, so die Annahme.

Mittelfristig sollen dann die separaten Emissionsmärkte angeglichen und langfristig in einem einheitlichen europäischen Emissionshandel zusammengeführt werden. Staatliche Eingriffe, wie die Vorgabe sektorspezifischer Emissionsziele oder die Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien, können nach der erfolgreichen Einführung des Emissionshandels entfallen.

Die Einnahmen aus dem Emissionshandel sollen nicht in den Staatshaushalt fließen, sondern die entfallenen Steuern und Umlagen ersetzen und für sozialen Ausgleich sorgen. Die Gutachter schlagen vor, die Mehreinnahmen als pauschale Klimadividende direkt an die privaten Verbraucher zurückzuzahlen.

Wirtschaftsweise plädieren für globale Lösung
Das Urteil der ebenfalls vom BMWi beauftragten Wirtschaftsweisen (Sachverständigenrat) in ihrem Sondergutachten „Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik“ ist eindeutig: Eine Klimapolitik, die volkswirtschaftliche Erwägungen ausblendet, ist zum Scheitern verurteilt. Kritisiert werden die kleinteiligen Zielvorgaben und Aktionspläne sowie die nicht auf den CO2-Ausstoß fokussierten Steuern und Abgaben. Die Sachverständigen sehen die Einführung einer CO2-Steuer oder eines eigenen Emissionshandelssystems für die Sektoren Gebäude und Verkehr lediglich als Übergangslösung. Vielmehr plädieren sie für die Einbeziehung aller Sektoren in das europäische Emissionshandelssystem. Um die Akzeptanz für die CO2-Bepreisung in der Bevölkerung zu erhöhen, werden eine pauschale Rückgabe pro Kopf, die Senkung der Stromkosten, die Reduktion von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen und die Abfederung von Härtefällen mit den bestehenden Mechanismen (SGB-II-Leistungen, Wohngeld) vorgeschlagen. Schließlich empfehlen die Wirtschaftsweisen zur wirksamen Eindämmung der Erderwärmung ein globales Vorgehen. Deutschland allein könne das Klima nicht retten, aber gemeinsam mit Europa eine Vorbildfunktion übernehmen. Dazu müssten sich die Emissionsminderungen mit wachsendem Wohlstand und gesellschaftlicher Akzeptanz verbinden lassen.

Wie geht es weiter?
Bis Ende September will die Bundesregierung ein Paket für mehr Klimaschutz schnüren. Dazu muss sich das von ihr beauftragte Klimakabinett einigen. Ob eine CO2-Steuer, die Ausweitung des Emissionshandels auf Gebäude und Verkehr oder eine Kombination von beiden die politische Mehrheit finden werden, bleibt ungewiss.

Europäischer Emissionshandel (ETS)

Das EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) wurde 2005 für große Industriebetriebe und Energieversorger, 2012 auch für den innereuropäischen Luftverkehr eingeführt. Die 28 EU-Staaten sowie Norwegen, Island und Liechtenstein legen für die beteiligten Anlagen die Höhe der CO2-Emissionen fest und geben ihnen hierfür Emissionsrechte (sogenannte CO2-Zertifikate). Einmal jährlich ermitteln die Betreiber die Emissionen ihrer Anlagen und müssen dann in entsprechendem Umfang Zertifikate an das Unionsregister abgeben. Übersteigt der CO2-Ausstoß die Menge der zugewiesenen Zertifikate und sind Investitionen zur eigenen CO2-Minderung teurer, kann der Anlagenbetreiber Zertifikate an den Energiebörsen in London oder Leipzig ersteigern oder kaufen. Anlagenbetreiber, die weniger CO2 verursachen, können dort Zertifikate verkaufen. Die Zahl der ausgegebenen Zertifikate wird nach und nach reduziert (von 2005 bis heute EU-weit bereits um 25 Prozent), sodass der wirtschaftliche Druck, CO2 zu reduzieren, wächst.