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Schlüsselverlust in einer Wohnungsanlage – Abzug Neu für Alt u.a.

Das Oberlandesgericht Dresden entschied in einem Urteil vom 20.08.2019 – Az.: 4 U 665/19 -, dass bei einem Schlüsselverlust in einer Wohnungsanlage der Geschädigte sowohl Kosten für den Austausch der Schlüsselanlage als auch für provisorische Sicherungsmaßnahmen verlangen kann, sofern die konkrete Gefahr eines Missbrauchs des verlorenen Schlüssels durch Dritte besteht.

Dieser Leitsatz steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung zu dem Verlust von Zugangsschlüsseln, nach der der Wohnungsnutzer die Kosten für den Austausch der Schließanlage tragen muss, wenn der verlorene Schlüssel dem Haus zugeordnet werden kann und damit die Gefahr des Zutritts unbekannter Dritter besteht.

Der Gebrauch der Mietsache wird durch die Übergabe der Schlüssel bei Beginn des Mietverhältnisses eingeräumt. Die Anzahl der zu übergebenden Schlüssel richtet sich nach der Vereinbarung im Mietvertrag oder nach der Zahl der Wohnungsnutzer. Der Mieter kann so viele Schlüssel verlangen, wie er für seine individuellen Bedürfnisse benötigt, z.B. auch für seine Kinder, seinen Lebensgefährten oder auch einen Untermieter. Die Kosten der zusätzlichen Schlüssel muss der Mieter tragen. Der Mieter kann verlangen, dass ihm alle Schlüssel ausgehändigt werden. Der Vermieter darf keinen Schlüssel zurückbehalten (OLG D.-dorf 10.10.1994 Az. 10 U 26/94).

Ist der Mieter längere Zeit abwesend, muss er für einen Notfall einen Schlüssel bei einem Dritten hinterlegen und den Vermieter hierüber informieren (BGH 20.10.1971 Az. VIII ZR 164/70).
Bei Beendigung des Mietverhältnisses  und Wohnungsrückgabe hat der Mieter alle Schlüssel, einschließlich der selbst angefertigten Schlüssel, zurückzugeben.

Der Mieter hat eine Obhutspflicht im Mietverhältnis, mit der Mietsache sorgfältig umzugehen. Die Obhutspflicht bezieht sich im Mietrecht auch auf die Sorgfalt im Umgang mit den dem Mieter überlassenen oder selbst gefertigten Schlüsseln zum Mietobjekt. Ausdruck der Obhutspflicht ist es, dass der Mieter bei einem Verlust eines Haustürschlüssels oder Wohnungsschlüssels verpflichtet ist, den Vermieter hierüber unverzüglich zu unterrichten.

Der Vermieter kann nur dann Schadenersatz für den Einbau eines neuen Schlosses oder einer Schließanlage verlangen, wenn dem Mieter bei dem Verlust des Schlüssels ein Verschulden vorzuwerfen ist und wenn die Gefahr des Missbrauchs des Schlüssels besteht. So trifft den Mieter z. B. bei einem Diebstahl kein Verschulden, wenn er die Codekarte einer Tiefgarage nicht in der Wohnung aufbewahrt, sondern im Auto.

Ferner darf er im Falle einer Schadenersatzverpflichtung des Mieters nicht die abstrakten Kosten eines Schlosses, z.B. auf Grund eines Kostenvoranschlages verlangen. Vielmehr kann er nur den konkreten Schaden fordern, also den Betrag, den er tatsächlich für den Ersatz des Schlosses, des Schlüssels oder der Schließanlage aufgewendet hat.

Handelt es sich um eine Schließanlage, kann der Vermieter die gesamte Schließanlage auswechseln und die Kosten als Schadenersatz vom Mieter ersetzt verlangen, wenn dieser den Schlüssel verloren hat. Voraussetzung ist allerdings, dass dies aus Sicherheitsgründen auch erforderlich ist. Das gleiche gilt, wenn ein Schlüssel bei Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurückgegeben werden kann.

Glück im Unglück hat aber der Mieter, dem der Schlüssel gestohlen wurde, wenn ihm hierbei kein Verschulden vorzuwerfen ist, d.h. wenn er den Diebstahl nicht begünstigt hat. In diesem Fall kann der Vermieter für den Schlüsselverlust keinen Schadenersatz verlangen.

Verliert man tatsächlich einen Schlüssel, ist es auch besser, wenn er in einen tiefen Fluss fällt. In diesem Fall wäre die Gefahr des Missbrauchs des Schlüssels beseitigt. Der Vermieter könnte dann auch nicht Schadenersatz für die Auswechslung der gesamten Schließanlage verlangen, denn in diesem Fall ist die Gefahr des Missbrauchs des Schlüssels ausgeschlossen. Das Auswechseln der Schließanlage ist demnach nicht aus Sicherheitsgründen erforderlich.

In der jüngsten Entscheidung des OLG Dresden vom 20.8.2019 schränkt das Gericht den Schadensersatzanspruch unter Verwendung der Grundsätze des „Abzugs Neu für Alt“ ein.

Da Schließanlagen einer mechanischen Abnutzung unterliegen, ist stets ein Abzug "Neu für Alt" vorzunehmen, der gemäß § 287 ZPO geschätzt werden kann. Wird eine gebrauchte Sache durch eine neue ersetzt, kann dies zu einer Wertsteigerung führen, die die Schadensersatzpflicht mindert, soweit hierdurch eine messbare Vermögensmehrung eingetreten ist und sich diese Werterhöhung für den Geschädigten wirtschaftlich günstig auswirkt. Darüber hinaus muss der Vorteilsausgleich für den Geschädigten zumutbar sein (Palandt/Grüneberg, BGB, 7. Aufl. 2018, Vorb v § 249 Rz. 97 ff.). Festzustellen ist, dass Schließanlagen einer mechanischen Abnutzung unterliegen, die im Einzelnen jedoch nicht genau ermittelt werden kann. Zumindest bei größeren Mietwohnungsanlagen, die aufgrund von Mieter- und Nutzeranzahl und häufigerem Mieterwechsel auch einer höheren Abnutzung unterliegen, ist daher von einer regelmäßigen Nutzungsdauer von 20 - 25 Jahren auszugehen. Abgesehen von der Abnutzung durch mechanische Beanspruchung ist Ansatzpunkt für die Haftung in erster Linie aber nicht die Beschädigung der Sachsubstanz, die beim Verlust eines Schlüssels nur in den Kosten für die Neuherstellung des Schlüssels selbst besteht, sondern darüber hinaus die Beschädigung der Sicherungsfunktion der Schließanlage (vgl. BGH, a.a.O.; LG Bonn, Urteil vom 27.09.2005, 7O 425/03, Rn. 40 f, juris, Bertkau, Abhandenkommen von Schlüsseln, zfs 2014, 484, 489 mwN). Der dafür gerechtfertigte Abzug ist zu schätzen, § 287 ZPO. Hinzu kommt ein weiterer zu schätzender Abzug für die Abnutzung infolge bisheriger Nutzung. Der Schätzung zu Grunde zu legen sind der Anschaffungspreis und eine regelmäßige Nutzungsdauer von 20 - 25 Jahren. Hier nahm das Oberlandesgericht Dresden einen linearen Abzug von 4% der Anschaffungskosten pro Nutzungsjahr für angemessen an.
Henry Naporra RechtstippHenry Naporra
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bei Haus & Grund Frankfurt