Haus & Grund Frankfurt
am Main e. V.
Grüneburgweg 64
60322 Frankfurt am Main

Tel.: 069 - 95 92 91 - 0
Fax: 069 - 95 92 91 - 11

Menü
Topthemen

Eigenbedarfskündigung bei Nutzungswunsch als Zweitwohnung

Aufgrund dezentraler Arbeitsstellen und einer von Arbeitnehmern geforderten Flexibilität kommt häufig die Frage auf, ob für eine als Zweitwohnung beabsichtigte Nutzung der Eigentumswohnung eine Eigenbedarfskündigung möglich ist.

In diesem Zusammenhang ist es vermehrt in der Praxis zu bemerken, dass bei Rechtsstreiten über Eigenbedarf die erkennenden Gerichte sehr auf den Grund und den Anlass des Eigenbedarfs eingehen und diesen vertieft prüfen, da vorgetäuschter Eigenbedarf und eine damit einhergehende Mietvertragsbeendigung frühzeitig ausgeschlossen werden soll.

Die gleichen Kündigungsvoraussetzungen gelten bei der Eigenbedarfskündigung bei einem Nutzungswusch als Zweitwohnung und sind sogar besonders eingehend darzustellen, da der Lebensmittelpunkt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht in der Bedarfswohnung sein wird; eine Voraussetzung, die im Regelfall bei der regulären Eigenbedarfskündigung erforderlich sein wird. Der Bundesgerichtshof entschied bereits in einem Hinweisbeschluss vom 21. August 2018 – Az. VIII ZR 186/17 -, dass der Tatbestand des § 573 II Nr. 2 BGB, wonach die Räume „als Wohnung“ benötigt werden müssen, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung und entgegen einer im Schrifttum teilweise vertretenen Auffassung keineswegs voraussetzt, dass der Vermieter oder eine sonst bedarfsprivilegierte Person in der dem Mieter überlassenen Wohnung ihren Lebensmittelpunkt begründen will. Zudem entscheid das Gericht, dass zur rechtlichen Beurteilung des vom Vermieter reklamierten Eigenbedarfs für Zwecke einer Zweitwohnung eine generalisierende, über den Einzelfall hinausgehende zeitliche Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals „benötigt“ in § 573 II Nr. 2 BGB – etwa in Gestalt einer konkreten „Mindestnutzungsdauer“ der Zweitwohnung – nicht möglich ist.

Auch bei der Eigenbedarfskündigung zur Nutzung als Zweitwohnung kommt es für die Beantwortung der Frage, ob der Wunsch des Vermieters, die vermietete Wohnung künftig als Zweitwohnung selbst zu nutzen oder durch privilegierte Angehörige im Sinne des § 573 II Nr. 2 BGB nutzen zu lassen, eine Eigenbedarfskündigung rechtfertigt, maßgeblich auf eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls an. Der Eigennutzungswunsch muss ernsthaft verfolgt werden, von vernünftigen, nachvollziehbaren Gründen getragen sein und darf nicht missbräuchlich sein.

In einer neuerlichen Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 07. Januar 2020 – Az. 67 S 249/19 –  erfolgte ein Beschluss des Gerichts, dass bei einer Eigenbedarfskündigung des Vermieters um die Wohnung künftig als Zweitwohnung zu nutzen, die Kündigungserklärung gemäß § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB Angaben zum Grund sowie zur Dauer und Intensität der beabsichtigten Nutzung enthalten muss. Die schlichte Mitteilung, die Wohnung „für notwendige Aufenthalte als Zweitwohnung“ nutzen zu wollen, ist unzureichend.

Diese Entscheidung verwundert nicht, da bereits bei der regulären Eigenbedarfskündigung zur Nutzung der Bedarfswohnung zu dauerhaften Zwecken eine umfassende Begründung des Anlasses der Kündigung der weiteren Umstände gefordert wird. Umso mehr gilt dieses Begründungserfordernis, wenn die Bedarfswohnung lediglich als Zweitwohnung genutzt werden soll.

Der Zweck des gesetzlichen Begründungserfordernisses besteht darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Nur eine solche Konkretisierung ermöglicht es dem Mieter, der die Kündigung nicht hinnehmen will, seine Verteidigung auf den angegebenen Kündigungsgrund auszurichten. Dementsprechend sind bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend.

Bei der kündigungsbedingten Geltendmachung von Eigenbedarf zur Nutzung einer bisherigen Mietsache als bloßer Zweitwohnung liegt es nicht auf der Hand, dass die beabsichtigte Nutzung vernünftig und nachvollziehbar ist. Auch wenn die Nutzung als Zweitwohnung nach der - nicht unumstrittenen und zweifelsfreien - Rechtsprechung des VIII. Zivilsenates des BGH zur Begründung hinreichenden Eigenbedarfes nicht das Überschreiten einer konkreten Mindestnutzungsdauer erfordert, ergibt sich ein hinreichendes Kündigungsinteresse gleichzeitig nur aufgrund einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Diese Einzelfallumstände müssen in der Kündigungserklärung zumindest im Wesentlichen angegeben sein. Das erfordert bei der beabsichtigten Nutzung der Mietsache als Zweitwohnung als ein wesentlicher von mehreren Einzelfallumständen eine Angabe zum Grund sowie zur Dauer und zeitlichen Intensität der beabsichtigten Nutzung. Denn nicht jede Nutzung als Zweitwohnung beruht auf vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägen; vielmehr kann es etwa bei einer sehr seltenen oder kurzzeitigen Nutzung der Wohnung an einem „Benötigen“ im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB fehlen oder ein Berufen darauf zumindest rechtsmissbräuchlich sein. Deshalb vermag ein Mieter, auch wenn er in der Regel Rechtsrat einholen wird, nur bei einer vollständigen Angabe der genannten Nutzungsumstände, seine Verteidigungsaussichten mit hinreichender Verlässlichkeit frühestmöglich - und damit vorgerichtlich - zu beurteilen, um im Falle der erfolgversprechenden Rechtsverteidigung sein späteres Prozessverhalten an den in der Kündigungserklärung vom Vermieter angegebenen Umständen des Einzelfalles auszurichten.

Praxistipp

Weil Eigenbedarfskündigungen neben juristischen Ausführungen auch umfassenden Tatsachenvortrag notwendig machen, ist es Kündigungswilligen dringend empfohlen, sich vor dem Ausspruch einer Eigenbedarfskündigung eingehenden Rechtsrat einzuholen oder das Kündigungsschreiben von erfahrenen Juristen erstellen zu lassen. Gleiches gilt bei der Kündigung der Bedarfswohnung zur Nutzung als Zweitwohnung, deren Begründungsvoraussetzung sich noch umfassender darstellen. Nichts ist ärgerlicher als eine mangels Rechtsrat ausgesprochene Eigenbedarfskündigung in Ermangelung der obigen Voraussetzungen bei einer beispielhaften Kündigungsfrist von neun Monaten ausgesprochen zu haben, um letztendlich nach Zuwarten von acht Monaten von einem Rechtskundigen erfahren zu müssen, dass die Kündigung keine Aussicht auf Erfolg verspricht.
Henry Naporra RechtstippHenry Naporra
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bei Haus & Grund Frankfurt