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Auswirkung der Corona-Krise auf gerichtliche Räumungsfristen

Im Hintergrund von gerichtlichen Räumungsverfahren hat sich das Landgericht Berlin in einem Beschluss vom 26. März 2020 – Az.: 67 S 16/20 – mit der Frage auseinandergesetzt, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf gerichtliche Räumungsfristen und deren Gewährungsdauer hat.

Grundsätzlich hat der Mieter die Möglichkeit, sich im Zuge eines Räumungsverfahrens eine angemessene Räumungsfrist seitens des Gerichts einräumen zu lassen. Hintergrund ist, dem Mieter dadurch Gelegenheit zur Beschaffung angemessenen Ersatzwohnraums zu geben und ihn somit vor drohender Obdachlosigkeit zu schützen. Ersatzwohnraum ist dann als angemessen anzusehen, wenn er seiner Größe und Ausstattung nach eine menschenwürdige Unterbringung aller zum Haushalt gehörenden Familienmitglieder gewährleistet. Zu beachten ist, dass ein Rechtsanspruch auf Gewährung einer Räumungsfrist nicht in jedem Fall besteht. Eine Entscheidung hierüber ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Hat das Gericht nicht von sich aus, also von Amts wegen, im Rahmen seiner Entscheidung im Räumungsverfahren dem Mieter eine Räumungsfrist zugebilligt, kann der Mieter einen entsprechenden Antrag auf Gewährung einer angemessenen Räumungsfrist stellen. Für welche Dauer oder ob überhaupt dem Antragsteller eine Räumungsfrist eingeräumt wird, entscheidet das Gericht nach sogenanntem freien Ermessen. In diesem Zusammenhang hat das Gericht eine Abwägung zwischen den Interessen des Mieters und des Mieters vorzunehmen. In der Ermessensentscheidung des Gerichts wird in der Regel berücksichtigt, dass eine mögliche Obdachlosigkeit vermieden werden soll. Dem Mieter soll mit einer Räumungsfrist die Möglichkeit gegeben werden, eine angemessene Ersatzwohnung zu finden. Insoweit gilt der Grundsatz, dass das nur noch von vorübergehender Dauer bestehende Bestandsinteresse Vorrang hat vor dem Erlangungsinteresse des Vermieters. Anders ist die Sache allerdings zu beurteilen, wenn der Mieter sein vertragswidriges Verhalten, auf Grund dessen ihm gekündigt wurde, weiterhin fortsetzt.

Das Landgericht Berlin entschied in dem vorgenannten Beschluss vom 26. März 2020, dass aufgrund der aktuellen Lage gerichtliche Räumungsfristen derzeit in Berlin gemäß § 721 ZPO grundsätzlich jedenfalls bis zum 30. Juni 2020 zu erstrecken oder auf Antrag entsprechend zu verlängern sind. Die erlassenen Landesverordnungen zur Eindämmung des Coronavirus habe das öffentliche Leben im Land Berlin weitgehend beschränkt und zum Erliegen gebracht, so dass die erfolgreiche Beschaffung von Ersatzwohnraum für einen zur Räumung verpflichteten Mieter derzeit überwiegend unwahrscheinlich, wenn nicht sogar ausgeschlossen ist. Eine davon abweichende Bemessung oder die Versagung der Räumungsfrist kommen ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn der Verbleib des Räumungsschuldners in der Mietsache eine Gefahr für Leib oder Leben begründet oder gleichrangige Interessen des Vermieters oder Dritter eine umgehende Räumung der Mietsache gebieten.

Der Mieter wird in dem vorgenannten Fall, obwohl das Gericht dem Räumungsanspruch des Vermieters stattgegeben hat und die Kündigungsfrist außergerichtlich bereits abgelaufen war, die Wohnräume nicht umgehend räumen müssen, da die Ermessensentscheidung des Gerichts aufgrund der Corona-Pandemie zu dessen Gunsten ausfiel.

Praxistipp

Der Beschluss des Landgerichts Berlin wird für andere Gerichte im Hintergrund einer zu treffenden Ermessensentscheidung zur Gewährung einer Räumungsfrist exemplarisch sein, selbst wenn eine Ermessensentscheidung auf den jeweiligen Einzelfall ausfallen muss. Aufgrund der Tatsache, dass das Finden von Wohnraum sich aufgrund Kontaktbeschränkungen und damit einhergehenden Schwierigkeiten neuen Wohnraum zu vermieten oder zu besichtigen sich noch schwieriger als bisher gestaltet, werden die erkennenden Gerichte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit diese Hindernisse bei der Gewährung von Räumungsfristen zu Gunsten der Mieter berücksichtigen.
Henry Naporra RechtstippHenry Naporra
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bei Haus & Grund Frankfurt