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Ortstermine durch Sachverständige sind auch in Zeiten der Corona-Pandemie durchführbar

Das Landgericht Stuttgart hat mit einem Beschluss vom 12. Mai 2020 entschieden, dass auch in Zeiten der Corona-Pandemie Ortstermine zur Beweisaufnahme durch Sachverständige durchzuführen sind, auch wenn eine Partei nicht mit der Durchführung einverstanden ist. Die Einhaltung der üblichen Infektionsschutzregeln sind allerdings durch den Sachverständigen sicherzustellen (Landgericht Saarbrücken, Beschluss vom 12.5.2020 – 15 OH 61/19).

Der Hintergrund des Rechtsstreites und des vorgenannten Beschlusses war ein auf Antrag einer Wohnungseigentümergemeinschaft stattzufindende Beweiserhebung wegen Mängeln des Wohngebäudes der WEG am Gemeinschaftseigentum und auch an einzelnen im Sondereigentum befindlichen Wohnungen.

Eine Partei hat sich allerdings wegen möglicher Gefährdung durch die Corona-Pandemie gegen die Durchführung eines Ortstermins ausgesprochen.

Das erkennende Gericht wies den Sachverständigen trotz des Einwandes an, dass die Beweiserhebung stattzufinden hat, da vorliegend für die sachverständigen Feststellungen zwingend ein Ortstermin erforderlich ist.

Das Landgericht Stuttgart entscheid, dass das vorliegende selbständige Beweisverfahren nicht gemäß § 245 ZPO unterbrochen ist. Es ist infolge der Corona-Pandemie nie zu einem Stillstand der Rechtspflege gekommen.

Es ist zwar infolge der Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen der Monate März und April 2020 zu einer de facto starken Einschränkung der Durchführung gerichtlicher Terminierungen gekommen. Es sind landesweit im Wesentlichen Termine in unaufschiebbaren oder zumindest besonders eiligen Sachen durchgeführt worden.

Mit Beginn des Monats Mai ist der Justizbetrieb jedoch nahezu normal wieder aufgenommen worden. Auch allgemein sind Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen weitgehend wieder aufgehoben worden.
Die Terminbestimmung oder auch der vorläufige Verzicht auf die Bestimmung eines Ortstermins hat sich deshalb an dem Maßstab des § 227 ZPO über Gründe für eine Terminänderung zu orientieren. Ein Termin kann hiernach aufgehoben oder verlegt werden, wenn erhebliche Gründe hierfür vorliegen, die gemäß § 227 Abs. 2 ZPO auf Verlangen glaubhaft zu machen sind.

Solche erheblichen Gründe waren vorliegend nicht ersichtlich. Allein die Furcht einer Partei vor einer Corona-Infektion genügt hierzu nicht.

Unter Beachtung von Infektionsschutzregeln können Termine wie in dem vorliegenden selbständigen Beweisverfahren durchgeführt werden, auch wenn an ihnen notwendigerweise fünf Personen oder mehr teilnehmen müssen. Es obliegt dem Sachverständigen als dem Durchführenden des Beweisaufnahmetermins den notwendigen Infektionsschutz durch Anordnung der allgemeinen Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht oder Einhaltung des Abstandsgebots sicherzustellen.
Sofern es seitens einer Partei - etwa weil ein Beteiligter zu einer Risikogruppe gehört - Bedenken gibt, derzeit einen Ortstermin durchzuführen, so ist diese Partei gehalten, für den Eigenschutz zu sorgen. Die Partei kann sich bei dem durchzuführenden Termin vertreten lassen. Eine Aufnahme des tatsächlichen Zustandes des Gebäudes vor Ort zwingt die Partei nicht dazu, selbst bei den sachverständigen Feststellungen vor Ort anwesend zu sein. Zu den gutachterlichen Feststellungen kann die Partei nach Vorliegen des Gutachtens Stellung nehmen. Die Partei hätte aber auch die Möglichkeit, durch eine eigenschützende FFP-2-Maske für einen recht weitgehenden Schutz vor einer Infektion zu sorgen.

Dabei ist dem Gericht bewusst, dass die obigen theoretischen Ausführungen zum Infektionsschutz auf besondere praktische Schwierigkeiten stoßen werden. Dies gilt im vorliegenden Fall im Besonderen, weil auch in einzelnen Wohnungen konkrete Feststellungen auch in kleinen Räumen wie Bädern zu treffen sein werden, was beispielsweise die Einhaltung der Abstandsregeln erschwert. Das Gericht kann dabei nur an die Parteien appellieren, durch besondere Disziplin einen größtmöglichen Infektionsschutz sicherzustellen.

Praxistipp

Der vorliegende Beschluss macht deutlich, dass das Justizsystem durch die Corona-Pandemie keineswegs zu erliegen gekommen ist und dass notwendige gutachterliche Besichtigungstermine allen Parteien zuzumuten sind. Den Infektionsschutz überlässt das Gericht den Beteiligten in Eigenverantwortung.
Henry Naporra RechtstippHenry Naporra
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bei Haus & Grund Frankfurt