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Eigenbedarf

Privilegierter Personenkreis zur Begründetheit der Eigenbedarfskündigung

Im Falle einer auszusprechenden Eigenbedarfskündigung kommt es wesentlich darauf an, für wen der Selbstnutzungswunsch des Vermieters ausgeübt wird und ob diese Person zu dem von der Eigenbedarfskündigung umfassenden privilegierten Personenkreis zugehörig ist.

Nach dem Gesetz kann der Vermieter für sich selbst, für seine Familienangehörigen sowie die Angehörigen seines Haushalts Eigenbedarf geltend machen (§ 573 II Nr. 2 BGB). Familienangehörige in diesem Sinn sind nach der Rechtsprechung des BGH Personen, für die das Prozessrecht mit Rücksicht auf die persönliche Beziehung ein Zeugnisverweigerungsrecht vorsieht (vgl. § 383 I Nr. 1 bis 3 ZPO). Das beschränkt den Kreis der Bedarfspersonen auf den Ehegatten, den Verlobten, die Verwandten in gerader Linie (Kinder, Eltern, Großeltern usw.), Verwandte in der Seitenlinie bis zum 3. Grad (Geschwister, Neffen und Nichten, Tanten und Onkel) sowie Verschwägerte bis zum 2. Grad (Schwiegerkinder und -eltern, Schwager und Schwägerin – nicht indes der so genannte „Schwippschwager“). Darauf, ob ein besonders enges persönliches Band zwischen dem Vermieter und der Bedarfsperson besteht, kommt es danach nicht an.

In einer neuerlichen Entscheidung des BGH vom 02.09.2020 – Az.: VIII ZR 35/19 – stellte das Gericht nunmehr klar, dass Ehegatten auch dann derselben Familie im Sinne des § 577a Abs. 1a Satz 2 BGB angehören, wenn sie getrennt leben oder geschieden sind.

Zu dem Kreis der Familienangehörigen, für die Eigenbedarf gem. § 573 BGB geltend gemacht werden kann, gehören demnach auch der geschiedene Ehegatte, der Verlobte, der eingetragene Lebenspartner, das Stiefkind. Auch wenn insoweit keine Verwandtschaft besteht, werden sie nach landläufiger Auffassung zum Kreis der Familienangehörigen gezählt. Dass sie dem engeren Kreis der Familie in diesem Sinne zugerechnet werden, kann den Wertungen entnommen werden, die der Gesetzgeber mit den Vorschriften über das Zeugnisverweigerungsrecht (§ 383 ZPO) getroffen hat.

In Ausnahmefällen kann eine Eigenbedarfskündigung letztendlich in Betracht kommen, wenn die Räume einer nicht zum Kreis der Bedarfspersonen gehörenden Person zu Verfügung gestellt werden sollen, nämlich wenn der vom Vermieter insoweit geltend gemachte Bedarf von der Intensität (Notwendigkeit, moralische Verpflichtung) ein Gewicht hat, das dem § 573 II Nr. 2 BGB vergleichbar ist.

Praxistipp

Der BGH führt seine bisherige Rechtsprechung fort, wonach für die Bestimmung des Kreises der „Familienangehörigen“ im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf die Regelungen über das Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen (§ 383 ZPO, § 52 StPO) zurückzugreifen ist. Damals hatte der BGH entschieden, dass auch Neffen und Nichten zu diesem privilegierten Kreis gehören und somit eine Eigenbedarfskündigung des Vermieters wirksam sein kann, wenn dieser die Räume für die Kinder seiner Geschwister benötigt.

Der BGH entscheidet nun vorliegend, dass auch für die Bestimmung des Begriffs „derselben Familie“ derselbe Maßstab anzuwenden ist.

Im Hintergrund einer Eigenbedarfskündigung ist es zur Begründetheit derselben daher zwingend erforderlich den genauen Verwandtschaftsgrad der Bedarfsperson darzustellen und je weiter sie verwandtschaftlich von dem Vermieter entfernt ist, das bestehende Näheverhältnis darzustellen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass eine Eigenbedarfskündigung sich im Wege einer streitigen Auseinandersetzung als unbegründet erweist.
Henry Naporra RechtstippHenry Naporra
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bei Haus & Grund Frankfur