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Nachbarrecht:

Was tun bei herüberragenden Ästen vom Nachbargrundstück?

Häufig streiten Nachbarn über die Höhe von Bäumen, Sträuchern oder Hecken, vor allem, wenn diese in Grenznähe wachsen und dem einen Nachbarn das Licht nehmen. Häufig kommt es auch zu Beeinträchtigungen in Form von erhöhtem Nadel- und Zapfenbefall, erhöhtes Laubaufkommen oder verdreckten Regenrinnen.

Neben konkreten Grenzabständen streiten die Parteien in der Regel um den sogenannten Überhang. Darunter fallen zum Beispiel vom Nachbargrundstück über die Grenze ragende Zweige oder herüberwachsende Wurzeln von Bäumen oder Sträuchern. Nach § 910 BGB darf ein Eigentümer über die Grenze gewachsene Wurzeln von Bäumen und Sträuchern sowie Zweige abschneiden und behalten. Voraussetzung für dieses Selbsthilferecht ist zunächst, dass der Überhang das Grundstück auch beeinträchtigt. Das Abschneiderecht gilt für den Überhang auf dem eigenen Grundstück; es erlaubt weder das Abschneiden jenseits der Grundstückgrenze noch das Betreten des Grundstücks des Nachbarn. Als eine weitere Voraussetzung für das Selbsthilferecht normiert § 910 BGB ausdrücklich, dass ein beeinträchtigter Eigentümer den Überhang erst dann abschneiden darf, nachdem er dem Nachbarn zuvor erfolglos eine Frist zu Beseitigung gesetzt und damit Gelegenheit zur Abhilfe gegeben hat. Nach der jüngsten Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 11. Juni 2021 - V ZR 243/19 ist das Abschneiden ohne eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach erfolglosem Auffordern zulässig. Der Inhaber des Baumes kann sich nach dem Urteil des BGH auch nicht darauf berufen, dass durch das Abschneiden von Ästen ein Absterben des Baumes oder der Verlaust der Standfestigkeit drohe. Der BGH meint, dass die Verantwortung dafür, dass Äste und Zweige nicht über die Grenzen des Grundstücks hinauswachsen, bei dem Eigentümer des Grundstücks, auf dem der Baum stehe, liege. Diesen Eigentümer treffe im Rahmen der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung seines Grundstücks die Pflicht des Rückschnitts. Allerdings kann das Selbsthilferecht durch naturschutzrechtliche Regelungen, etwa durch Baumschutzsatzungen oder- Verordnungen, eingeschränkt sein. Schließlich ist noch auf eine weitere Besonderheit des Nachbarrechtes in Hessen zu verweisen. Bei Konflikten mit den Nachbarn ist nämlich vor Anrufung der Gerichte grundsätzlich zunächst ein außergerichtliches Schiedsverfahren durchzuführen. Zuständig hierfür sind die Schiedsämter, die in allen hessischen Städten und Gemeinden eingerichtet sind.
Niklas Graf RechtstippNiklas Graf
Rechtsanwalt bei Haus & Grund Frankfurt am Main