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Ansprüche auf Erstattung aus einem widerrufenen Wohnraummietvertrag

Auch wenn in der Vermietungspraxis im Regelfall vor dem Abschluss eines Wohnraummietvertrages eine Besichtigung der zu vermietenden Wohnräume durch die Mietpartei stattfindet, kommt es vermehrt auch zu Vertragsschlüssen, die ausschließlich im Wege des Fernabsatzes erfolgen. Die Mietpartei schließt folglich einen Mietvertrag auf der Grundlage einer Immobilienanzeige, ohne jedoch die Wohnräume tatsächlich vor Ort gesehen zu haben. Entsprechender Vertragsabschluss erfordert seitens des Vermieters die dringende Beachtung der Widerrufsbelehrung.

Das Landgericht Berlin entschied in der vorgenannten Sachverhaltskonstellation, dass der Vermieter an den Mieter sämtliche bis zum erklärten Widerruf des Mieters geleistete Mietzahlungen einschließlich der erbrachten Nebenkostenvorauszahlungen zurückzugewähren hat, ohne dass der Mieter dem Vermieter Nutzungs- oder Wertersatz für die Ingebrauchnahme der Mietsache schuldet, sofern ein Wohnraummietvertrag im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems geschlossen wurde und der Vermieter es unterlassen hatte, den Mieter über dessen Widerrufsrecht zu belehren. Das Gericht entschied zudem, dass der Mieter als Ergebnis seines Widerrufs befugt ist, die Mietsache - abhängig vom Zeitpunkt seines Widerrufs – bis zu Widerrufserklärung kostenfrei zu nutzen (LG Berlin, Urteil vom 21.10.2021 - 67 S 140/21 (AG Berlin-Mitte)).

Das erkennende Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass gemäß § 355 Abs. 3 BGB die empfangenen Leistungen im Falle des wirksamen Widerrufs eines Vertragsverhältnisses unverzüglich zurückzugewähren sind. Diese Voraussetzungen waren vorliegend erfüllt. Der Mieter habe das mit dem Vermieter geschlossene Mietverhältnis wirksam widerrufen und konnte deshalb die im genannten Zeitraum geleisteten Mietzahlungen zurückverlangen.

Für zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer geschlossene Wohnraummietverträge ist das Widerrufsrecht gemäß § 312 Abs. 4, Abs. 3 Nr. 7 BGB i.V.m § 312g BGB eröffnet, es sei denn, der Mieter hat die Mietsache vor Vertragsschluss besichtigt, § 312 Abs. 4 Satz 2 BGB. Auf den Ausschlusstatbestand des § 312 Abs. 4 Satz 2 BGB konnte sich der Vermieter im vorgenannten Sachverhalt nicht mit Erfolg berufen, da der Mieter die Mietsache vor Vertragsschluss unstreitig nicht besichtigt habe.

Praxistipp

Hat der Vermieter versäumt, den Mieter entsprechend allen gesetzlichen Anforderungen über sein Widerrufsrecht zu belehren, und hat auch keine Wohnungsbesichtigung stattgefunden, so beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen. Dem Mieter steht dann bis zu 12 Monaten und 14 Tagen nach Vertragsschluss ein Widerrufsrecht zu, § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB, bei dessen Ausübung der Vermieter verpflichtet ist, alle empfangenen Mietzahlungen zurückzugewähren, aber keinen Anspruch auf Nutzungsentschädigung hat.

Vermietern wird daher dringend angeraten bei Vertragsschlüssen mit Mietparteien, die ohne Wohnungsbesichtigung Mieträume des Vermieters anmieten wollen, unbedingt eine Widerrufsbelehrung bei Vertragsunterzeichnung mit aufzunehmen.
Henry Naporra RechtstippHenry Naporra
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bei Haus & Grund Frankfurt