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Zulässigkeit von Videokameras am Haus des Nachbarn?

Der Einsatz von Videoüberwachungen an Privathäusern ist seit jeher rechtlich immer brisant gewesen.

Grundsätzlich dürfen Eigentümer ihr Grundstück beziehungsweise das Mietobjekt nach Belieben überwachen, weil es ihr „Hoheitsbereich“ ist und jeder Besucher weiß, dass er fremden Grundbesitz betritt. Problematisch wird es, wenn eine Überwachungskamera gemeinschaftlich genutzte Bereiche im Visier hat – ganz gleich, ob diese geschlossen oder überdacht sind. So ist es nicht zulässig, wenn der Vermieter die Videokamera auf die Wohnungstür des Mieters richtet. Das Gleiche gilt für Mieter gegenüber anderen Mitbewohnern in einem Mehrfamilienhaus. Hauseingangstür, Hausflur, Aufzugsanlage oder andere Gemeinschaftsflächen gelten als geschützte Räume. Das Sicherheitsinteresse geht auch dann zu weit, wenn Bereiche aufgezeichnet werden, die hinter der Grundstücksgrenze liegen, etwa der Balkon des Nachbarn oder andere benachbarte Grundstücksbereiche, öffentliche Wege oder Kinderspielplätze, die zur Hausanlage gehören. Videoüberwachungssysteme dürfen daher nur dort installiert werden, wo der Betroffene das alleinige Hausrecht hat oder wo ein berechtigtes Überwachungsinteresse nachgewiesen werden kann.

Das Amtsgericht Seligenstadt entschied aktuell in einem Urteil vom 20. April 2022 – Az.: 1 C 622/20 – zu einer Streitigkeit von Nachbarn in Bezug auf eine angebrachte Videokamera, dass die Anbringung einer Videokamera neben der Haustür unzulässig sei, soweit mit ihr auch ein Teil des Nachbargrundstücks und des öffentlichen verkehrsberuhigten Bereichs vor dem Grundstück erfasst wird.  Auch wenn die hierbei installierte Kamera die Möglichkeit der Aktivierung einer Privatzonen-Maskierung bietet, lässt dies einen Eingriff in Nachbargrundstücke oder öffentlichen Straßenraum nicht entfallen, weil diese vom Nutzer der Kamera nach eigenem Gutdünken festgelegt werden kann.

Die Entscheidung überrascht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH nicht, da das Gericht davon ausgeht, dass ein Überwachungsdruck durch vorhandene Überwachungsgeräte dann gerechtfertigt sei, wenn diese aufgrund konkreter Umstände als nachvollziehbar und verständlich erscheinen. Im streitgegenständlichen Sachverhalt konnte die vordere Kamera des Nachbarn akustische und optische Aufnahmen auch vom Nachbargrundstück und der öffentlichen Straße anfertigen, so dass das Gericht vor dem Hintergrund der Nachbarschaftsstreitigkeiten von einem unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des anderen Nachbarn ausging. Weil die hintere Kamera hingegen nur den Garten eines anderen Nachbarn sowie ein freies Feld und einen Feldweg erfasste, war hier keine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Nachbarn erkennbar. Diese Kamera durfte also bleiben.

Praxistipp

Die Anbringung einer Videoüberwachung im Hinblick auf mögliche Persönlichkeitsverletzungen von Dritten sollte wohl überlegt sein. Im Regelfall sollte daher zur Streitvermeidung von einer Anbringung eher abgesehen werden.
Henry Naporra RechtstippHenry Naporra, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bei Haus & Grund Frankfurt am Main e.V.