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Baumaßnahmen beschließen ohne Vergleichsangebote?

Die Coronakrise ist noch nicht überwunden, die Energiekrise ist omnipräsent und Fachkräftemangel und der Zusammenbruch der Lieferketten führen zu erheblichem Materialmangel auf deutschen Baustellen. All das betrifft auch die Handwerker für Bau- und Erhaltungsmaßnahmen. In der Folge finden sich häufig keine Handwerker mehr, die benötigte Angebote abgeben. Doch kann eine Wohnungseigentümergemeinschaft ohne entsprechende Vergleichsangebote rechtssicher Beschlüsse über Baumaßnahmen treffen? Denn: Es war bisher üblich, dass vor der Auftragsvergabe drei Vergleichsangebote eingeholt werden müssen. Erfolgte das nicht, entsprach eine Auftragsvergabe nicht ordnungsgemäßer Verwaltung und ein dahingehender Beschluss war schon alleine deshalb anfechtbar.

Hier ein Lösungsansatz für die Praxis: Ausgangspunkt der Rechtsprechung zur Einholung von drei Vergleichsangeboten ist, dass die meisten Entscheidungen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Ermessensentscheidungen sind. Die Eigentümer sollen und müssen also einschätzen können, welchen Spielraum sie haben.

Immer dann also, wenn die Eigentümer bereits aufgrund äußerer Umstände eine bestimmte zu erbringende Leistung in den Markt einordnen können, sind Vergleichsangebote ohnehin nicht erforderlich. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein Handwerker bereits in der Liegenschaft tätig war, er also bereits „bekannt und bewährt“ ist. Aber auch bei Bagatellmaßnahmen sind drei Vergleichsangebote entbehrlich. Bagatellmaßnahmen werden meist im Bereich von maximal 5 Prozent des Wirtschaftsplans angesetzt.

Doch was, wenn das nicht der Fall ist? Die Lösung dürfte – so findet es sich in der aktuellen juristischen Literatur – schlicht darin liegen, dass, wenn keine drei Vergleichsangebote am Markt erhältlich sind, auch das Ermessen der Wohnungseigentümer sich verschiebt. Sie entscheiden nunmehr nicht mehr darüber, welches Angebot sie annehmen möchten, sondern schlichtweg nur noch, ob sie das eine ihnen vorliegende Angebot annehmen oder die Maßnahme aussetzen möchten. Ist die Maßnahme zwingend durchzuführen und duldet keinen Aufschub, bleibt den Eigentümern kein Ermessen mehr und die Maßnahme muss und darf im Zweifel auf Basis dieses einen Angebots durchgeführt werden.
In Krisenzeiten ist es mehr denn je erforderlich, vorausschauend zu agieren und rechtzeitig Erhaltungsmaßnahmen ins Auge zu fassen. So können Eigentümer und Verwalter viele Härten der Krise abfedern.
Verena Till RechtstippVerena Till, Rechtsanwältin bei Haus & Grund Frankfurt am Main e.V.