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Können Heizkosten wegen Gaskrise im Wirtschaftsplan verdoppelt werden?

Zu dieser Frage urteilte jetzt das Amtsgericht Langen, Urteil vom 13.01.2023 - 56 C 182/22:
  1. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat bei der Festlegung der künftig zu zahlenden Vorschüsse einen gewissen Spielraum. Auch die Gaskrise kann daher grundsätzlich als Begründung einer begrenzten Anhebung der Vorschüsse herangezogen werden.
  2. Eine 100%-ige Anhebung der Vorschüsse für die Heizkosten ohne ausreichend fundierte Erkenntnisse dahingehend, dass tatsächlich mit einer derartigen Ansteigung zu rechnen ist, ist sachlich aber ungerechtfertigt.
  3. Der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft über den Wirtschaftsplan ist bezüglich der Position "Gaskosten" ungültig, wenn wegen der Gaskrise die Vorschüsse pauschal verdoppelt werden sollen.

Mit dem Wirtschaftsplan planen die Eigentümer ihre Einnahmen und Ausgaben für die Zukunft. Er ist daher eine in die Zukunft gerichtete Prognose und soll die Liquidität der Gemeinschaft sichern. Unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs, der hierdurch ausgelösten Gaskrise und der damals öffentlich geführten Debatten über starke Gaskostenexplosionen beschlossen die Eigentümer in der Versammlung eine pauschale Verdopplung der monatlich zu zahlenden Vorschüsse. Für den Kläger erhöhte sich hierdurch der monatlich zu zahlende Vorschuss um mehr als das Doppelte.

Auf Nachfrage des Klägers bei den Stadtwerken wurde ihm mitgeteilt, dass sich der Preis für Fernwärme nicht am Börsenwert für Gas orientiert und Preissteigerungen von ca. 20% zu erwarten seien. Der Kläger begehrte mit Erfolg mit seiner Beschlussanfechtungsklage den Beschluss für ungültig zu erklären. Ohne ausreichenden sachlichen Grund kann nicht angenommen werden, dass sich die bisherigen Kosten für Fernwärme um 100% erhöhen werden.

Praxistipp

Die Gemeinschaft hat einen weiten Ermessensspielraum bei der Festlegung der Vorschüsse und darf auch Erfahrungswerte einfließen lassen. Allein die aktuelle Gaskrise kann als pauschale Begründung für eine Erhöhung der Vorschüsse um mehrere 10% herangezogen werden. Für eine darüberhinausgehende Erhöhung der Vorschüsse bedarf es aber stets einer ausreichenden Begründung, wobei auch Informationen des Wärme- oder Gaslieferanten über die erwartete Preisentwicklung herangezogen werden können. Unbegründete Prognosen führen daher schnell zur Anfechtbarkeit von Beschlüssen.
Henry Naporra RechtstippHenry Naporra, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bei Haus & Grund Frankfurt am Main e.V.