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Corona und Gewerberaummietrecht

Was hat der BGH entschieden?

Viele Gewerbetreibende konnten sich nach der Corona-Pandemie nicht halten. Auch Hilfsangebote wie das zwischenzeitlich in Kraft getretene Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020, das in Artikel 5, § 2 Absatz 1 anordnete, dass Vermieter in der Zeit ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen können, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht, halfen häufig nicht. Viele Gewerbemieter befinden sich in der Folge mit ihren Vermietern in erheblichen juristischen, mittlerweile meist gerichtlichen Auseinandersetzungen. Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2022 mit einer Grundsatzentscheidung (BGH, Urt. v. 12.1.2022 – XII ZR 8/21) die drei wesentlichsten Streitpunkte dazu geklärt:

  1. Eine durch die COVID-19-Pandemie bedingte Betriebsbeschränkung eines Einzelhandelsgeschäfts, namentlich die durch die Bundes- oder Landesregierungen angeordneten Ladenschließungen, führt nicht zu einem Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dem Vermieter wird dadurch die vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand auch nicht ganz oder teilweise unmöglich gemacht. In der Folge konnte der Gewerberaummieter also keine Mietminderung geltend machen.
  2. Im Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, kommt grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB in Betracht. Die Anpassung des Vertrags wegen der Ladenschließungen als Störung der Geschäftsgrundlage muss damals vom jeweiligen Gewerbetreibenden geltend gemacht worden sein. Nur wenn der Gewerbemieter damals die Vertragsanpassung begehrt hat, ist, so der BGH weiter, in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Es darf nicht verkannt werden, dass es auch Gewinner der Pandemie gab und vielerorts Gewerbetreibende, beispielsweise Restaurants, andere Vertriebswege gefunden haben.
  3. Bei der Prüfung, ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, verbietet sich eine pauschale Betrachtungsweise. Maßgeblich sind vielmehr sämtliche Umstände des Einzelfalls. Daher sind auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat. Diese Entscheidung ergänzt der Bundesgerichtshof weiter in einer späteren Entscheidung (BGH, Urteil vom 13.07.2022 - XII ZR 75/21). Danach ist konkret zu berücksichtigen, ob und in welchem Umfang der Mieter in der Zeit der Nutzungsbeschränkung Aufwendungen, etwa infolge geleisteter Kurzarbeit, erspart hat.

Der Bundesgerichtshof hat mit der Entscheidung in der Krise eine Lösung gefunden, die den Einzelfall in den Mittelpunkt stellt. Es ist nun an den Instanzgerichten, die Vorgaben fair und mit Fingerspitzengefühl umzusetzen.
Verena Till RechtstippVerena Till, Rechtsanwältin bei Haus & Grund Frankfurt am Main e.V.